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  • 12.12.2018

Schmerz: Wahrnehmung, Handlungsimpuls und Energiebereitstellung entstehen unabhängig voneinander im Gehirn

Mehr als ein unangenehmes Gefühl

Schmerz ist ein negatives Gefühl, das wir schnell loswerden wollen. Um den Körper zu schützen, handeln wir, indem wir beispielsweise die Hand zurückziehen. Diese Handlung wird üblicherweise als Folge der Schmerzwahrnehmung aufgefasst. Ein Team der Technischen ±«²Ô¾±±¹±ð°ù²õ¾±³Ùä³Ù ²Ñü²Ô³¦³ó±ð²Ô (TUM) hat nun gezeigt, dass Wahrnehmung, Handlungsimpuls und Energiebereitstellung gleichzeitig und nicht, wie erwartet, nacheinander im Gehirn entstehen.

Laura Tiemann, Erstautorin der neuen Studie zur Schmerzwahrnehmung, bereitet zusammen mit Markus Ploner, Heisenberg-Professor für Human Pain Research an der TUM, eine Person für die EEG-Messung vor. (Bild: K. Bauer / TUM)
Laura Tiemann, Erstautorin der neuen Studie zur Schmerzwahrnehmung, bereitet zusammen mit Markus Ploner, Heisenberg-Professor für Human Pain Research an der TUM, eine Person für die EEG-Messung vor. (Bild: K. Bauer / TUM)

Unter der Leitung von , haben sich Forscherinnen und Forscher der Klinik für Neurologie des TUM-±«²Ô¾±±¹±ð°ù²õ¾±³Ùä³Ùsklinikums rechts der Isar angesehen, wie genau im Gehirn ein schmerzhaftes Ereignis verarbeitet wird. Sie konnten erstmals zeigen, dass das Gehirn auf einen Schmerzreiz mit mindestens drei unterschiedlichen Antworten reagiert – und dass diese gleichzeitig und nicht abhängig voneinander ablaufen. Die Ergebnisse könnten grundlegende Auswirkungen auf das Verständnis und die Behandlung von Schmerzpatientinnen und -patienten haben.

Schmerz besteht aus mindestens drei Faktoren: der Wahrnehmung, der Handlung - zum Beispiel dem ´Ü³Ü°ùü³¦°ìziehen der Hand von einer heißen Herdplatte - und der Reaktion des autonomen Nervensystems, das die notwendige Energie für das Handeln bereitstellt. Über das autonome Nervensystem werden die lebenswichtigen Funktionen wie Herzschlag, Atmung, Verdauung und Stoffwechsel gesteuert.

Zusammenspiel aus Verhaltens- und EEG-Messungen

In ihren Versuchen setzten die Forscherinnen und Forscher Freiwillige kurzen, unterschiedlich starken Schmerzreizen auf dem Handrücken aus. Um die Schmerzwahrnehmung zu bestimmen, sollten die Personen die wahrgenommene Stärke des Reizes auf einer Skala bewerten. Die Handlungskomponente untersuchte das Team um Markus Ploner anhand der Reaktionszeit, die die Patienten benötigten, um ihre Finger als Antwort auf die Reize zurückzuziehen. Um auch die dritte Schmerzkomponente, die Reaktion des autonomen Nervensystems, zu bestimmen, maßen sie die Schweißproduktion in den Handinnenflächen.

Gleichzeitig wurde während des Versuchs die Hirnaktivität mit Hilfe der Elektroenzephalographie (EEG) registriert. Mit dieser Methode lässt sich sehr genau sichtbar machen, wann und wie Nervenzellen auf einen Schmerzreiz reagieren.

Schmerzkomponenten entstehen unabhängig voneinander

¹óü°ù die Auswertung verwendeten Ploner und sein Team ein statistisches Verfahren, die sogenannte Mediationsanalyse. Dieses Verfahren ist in den Sozialwissenschaften inzwischen gut etabliert und wurde von ihnen erstmals auf EEG-Daten angewendet. So konnten sie herausfinden, welche Hirnantworten an der Umsetzung der drei Schmerzkomponenten beteiligt sind, und wann genau diese stattfinden.

Das Ergebnis der Auswertungen überraschte die Forscherinnen und Forscher: „Wir konnten erstmals sehen, dass die Hirnantworten für die Schmerzkomponenten nicht nacheinander ablaufen, sondern teilweise gleichzeitig. Das heißt, dass die Handlungsvorbereitung und die Energiebereitstellung nicht vollständig von der Schmerzwahrnehmung abhängen, sondern teilweise unabhängig davon umgesetzt werden“, erklärt Laura Tiemann, Erstautorin der Studie.

Umfassende Schmerztherapie für chronische Schmerzpatienten

Was zunächst abstrakt klingt, könnte auch für Patientinnen und Patienten mit chronischen Schmerzen wichtig sein. Ploner empfiehlt für eine umfassende Schmerztherapie alle drei Komponenten des Schmerzes im Auge zu behalten: „Bei chronischen Schmerzpatienten sind möglicherweise nicht nur die Wahrnehmung, sondern auch die Vorbereitung und Durchführung von Handlungen gegen den Schmerz sowie die Energiebereitstellung verändert. Unsere Befunde sind somit ein biologisches Argument für eine Schmerztherapie, die den Schmerz ganzheitlich mit allen seinen Komponenten umfasst. Das würde sowohl psychotherapeutische und medikamentöse als auch physiotherapeutische Therapien beinhalten“, erklärt Ploner. Am Interdisziplinären Zentrum für Schmerzmedizin der TUM werden solche sogenannten Multimodalen Schmerztherapien bereits angeboten.

 

Publikation

Laura Tiemann, Vanessa D. Hohn, Son Ta Dinh, Elisabeth S. May, Moritz M. Nickel, Joachim Gross and Markus Ploner: , Nature Communications, October 2018, DOI: 10.1038/s41467-018-06875-x (Open Access).

Mehr Informationen

Kontakt

Prof. Dr. Markus Ploner
Neurologische Klinik und Poliklinik
Klinikum rechts der Isar der Technischen ±«²Ô¾±±¹±ð°ù²õ¾±³Ùä³Ù ²Ñü²Ô³¦³ó±ð²Ô
Tel.: 089 4140-4608
markus.plonerspam prevention@tum.de

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